3.2 Archetypen & Atavismen
Translation is just at work 

Ich glaube nicht an die Archetypen!" so konterte mir 1979 ein kritischer Kollege bei einem Vortrag über C.G.Jung. Sichtlich zufrieden mit seinem Statement, lehnte er sich zurück. "Aber die ganze Weltliteratur scheint daran zu glauben, " entgegnete ich, damals noch eher ein Rufer in der Wüste. Inzwischen würde man nicht mehr so überzeugt gegen eine Begriffslehre angehen, die sich in vielen Bereichen der modernen Welt , von der Ethnopsychologie bis zur modernen Kunst etabliert hat. 

Dabei spielt es keine besondere Rolle, ob diese Urbilder - patterns of behaviour wie Jung es nannte -  tief in uns im sog. "kollektiven Unbewußten" existieren oder nicht vielmehr  uns in Denk- und Kommunikationsprozessen überliefert werden. Dies ist meines Erachtens die plausibler Variante der Archetypenlehre. Wenn diese Patterns dann auch noch tief in uns verankert wären - warum nicht? Rechnen müssen wir ohnehin mit ihnen. 
Das Jungsche Schema nennt zwei Archetypen, welche zur Gestalt des Reynardine passen würden: Da ist zum Einen der Schatten, Grenzgänger und ewiger Rebell, und als solcher unzweifelhaft gefährlich. Seine mythische Dimension kann von der animalischen Anziehungskraft in den Bereich der Ruchlosigkeit überwechseln. Die Einsicht in seine Macht ist sehr wichtig, um erwachsen und reif - ethisch selbstverantwortlich zu werden. 
Das zweite innere Bild wären Animus und Anima, im Märchen sind dies oft der Tierbräutigam oder die Sirene, welche es zu verwandeln gilt durch Zauber, List und Liebe, manchmal auch durch Härte, immer aber mit Geduld. Gewinnt man diese Gestalt zum Verbündeten, erschließt sich häufig das Gebiet der Kreativität, gesellt sich uns eine Wegbegleitung wie etwa Dante in seiner Beatrice gehabt haben mag.

In "Sirens and Other Demon Lovers" geht Terri Winding in einem bemerkenswerten Online- Artikel auf die Problematik ein. Sie schreibt die Faszination des Renardine einem Trickster - Effekt zu und führt dazu aus. 
"Trickster tales bridge the gap between the great cosmological myth cycles and folk tales told 'round the fireside -- for Trickster is equally at home in the house of the gods (as Loki or Hermes) and in the woods with the fairies (as Phooka, Puck, or Robin Goodfellow). Turning from mythological stories to humble folk and fairy tales, we find that the overwhelming force of Eros is still a common theme. The woods of Europe, the mountains of Asia, the rain-forests of South America, and the frigid lands of the Canadian north are all filled with fairy creatures, nature spirits and other apparitions who bewitch, beguile and entice human beings into sexual encounters. The fairy lore most people know today comes from children's books or Disney animations, and so the popular image of fairies is of sweet little sprites with butterfly wings, sexless as innocent children. Yet our ancestors knew the fairies as creatures of nature: capricious, dangerous, and well-acquainted with the earthly passions. Folklore is filled with cautionary tales outlining the perils of faery seduction, reminding us that a lovely maid met on a woodland path by dusk might be a fairy in disguise; her kisses sweet could cost a man his sanity, or his life."  
T. Winding weist auch darauf hin, daß der keltische Kulturraum in dieser Hinsicht besonders ausgeprägte Überlieferungen kennt. "The Irish glanconer, or Love-Talker, appears in the form of a charming young man -- but woe to the woman who sleeps with him, for she will pine for this fairy's touch, and lose all will to live. The Elfin Knight of Scottish balladry seduces virtuous maidens from their beds; these girls end up at the bottom of cold, deep rivers by his treacherous hand. The leanan-sidhe is the fairy muse who inspires poets and artists with her touch, causing them to burn so brightly that they die long before their time." 

Wir sehen daran: Der Natur einfach nachzugeben wäre so einfach; etwa im Sinn von "spiel doch mit dem bösen Wolf." Doch "nicht alles was aus der Natur heraus kommt, ist von vornherein gut." stellt das uralte I Ging in einem seiner Weisheitsverse fest.  Selbstverständlich ist es sinnvoll, die Archetypen zu verstehen - jene inneren Stimmen, welche wir alle nur zu gut kennen, Hesses Steppenwolf gibt darüber eine schonungslose Analyse -  zu einem sinnvollen Dialog zusammenzubringen. Doch wir müssen sie auch bändigen und ihnen Grenzen setzen. Denn  Nabokovs Werk "Lolita" oder die "Dr Jekyll and Mr. Hyde" lehren uns keine Grenzüberschreitungen im positiven Sinne, sondern Besessenheiten. 
Insofern kann ich auch bei den weit verbreiteten Seminarangeboten des New Age vor einer allzu bereitwilligen Aufgabe des bewußten Ich nur warnen.  Es kostete Jahrhunderte der Erziehung und Formung, um den Europäer dahin zu bringen, wo er jetzt steht, und all zu oft ist sein bewußtes Ich auch jetzt noch durch Ideologien und wahrhaft dämonische Gewalten gefährdet. 
Wenn in einem Seminar zeitgeistgemäß - modisch Atavismus - Trainings versprochen werden - der Umgang mit den in uns wohnenden Tierkräften, Krafttieren und Instinkten - nur zu. Es wird uns mit Sicherheit bereichern und stärken; vorausgesetzt wir behalten die Oberhand und erweisen uns der neuen - uralten - Verbündeten als moralisch gewachsen. Andernfalls ist die Pforte unwiederruflich geöffnet für alles, was irgendwie aus dem Dunkel und der Vergangenheit herauskommt. Wollen wir das in Kauf nehmen? 

Natürlich, wir sind würdig, wir behalten das im Griff? Wirklich? Bei Lü Buwei, wieder ein kluger alter Chinese heißt es: "Wenn der Mensch verblendet ist, wird er besonders laut darauf pochen, nicht verblendet zu sein."  Die echte, moralisch verantwortete Erforschung der inneren Kräfte wird uns stark machen, der Grenzgänger als Verbündeter ein wertvoller Helfer sein. Doch wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um an Disziplin, Kraft und Ethos mehr gewachsen zu sein als es jetzt der Fall ist, wenn es zu dieser Begegnung kommt. Caveant Consules....


 
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updated 14/08/03

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